
5 Tricks für Eltern: So lässt sich die sozial-emotionale Entwicklung von Grundschulkindern optimal unterstützen
Lesezeit: 6 min
Einleitung
Entwicklung und Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung im Vor- und Grundschulalter
Wenn Kinder in den Kindergarten oder die Schule kommen, erweitert sich ihre Welt spürbar – ihre soziale Umwelt geht über die der Familie hinaus. Sie treffen auf andere Kinder, lernen neue Regeln und müssen sich in Gruppen zurechtzufinden. In dieser spannenden Zeit zwischen dem dritten und zehnten Lebensjahr bilden sich wichtige soziale Fähigkeiten aus: Freundschaften knüpfen, Konflikte lösen und sich in andere hineinversetzen.
Doch gerade in dieser Zeit können sich erste Verhaltensprobleme aufgrund gestiegener altersbezogener Erwartungen zeigen und durch eine mögliche Manifestation die weitere Entwicklung negativ beeinflussen (Beelmann & Raabe, 2007). In diesem Blogartikel geht es um die Bedeutung der sozial-emotionalen Kompetenz und um praktische Anleitungen, wie Sie Ihr Kind in diesem wichtigen Bereich unterstützen können.
Das Konzept der sozialen Kompetenz
Soziale Kompetenz umfasst verschiedene Fähigkeiten, die es einer Person ermöglichen, sich einerseits erfolgreich an soziale Normen und Regeln anzupassen und andererseits eigene Bedürfnisse und Interessen in Interaktionen mit anderen angemessen zu vertreten. Sie beschreibt somit die Balance zwischen sozialer Anpassung und der Wahrung eigener Anliegen im Kontakt mit anderen Menschen (Kanning, 2002; Rose-Krasnor, 1997).
Die Kompetenz setzt sich aus mehreren Teilkomponenten zusammen (Kanning, 2009). Eine Studie fasste davon die wichtigsten Fertigkeitsbereiche für das Kindes- und Jugendalter zusammen, die jedoch nicht als Voraussetzung einer gelungenen Sozialentwicklung zu sehen sind, sondern als Teilfertigkeiten einer komplexen Fähigkeit (Caldarella & Merrell, 1997):
Fertigkeitsbereiche für das Kindes- und Jugendalter:
(1) Fertigkeiten zur Bildung positiver Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen, v. a. prosoziale Verhaltensweisen (z. B. andere loben, Hilfeleistungen anbieten), Übernahme sozialer Verantwortlichkeit, Fähigkeit zur Empathie und Perspektivenübernahme, Gespräche initiieren, Freundschaften schließen
(2) Selbstmanagementfertigkeiten (z. B. die Kontrolle negativer Emotionen wie Wut, Befolgen von sozialen Regeln und die Akzeptanz von Grenzen)
(3) Fertigkeiten im Kontext schulischen Lernens (z. B. gut zuhören können und wenn nötig um Hilfe bitten)
(4) Kooperative Kompetenzen (z. B. das Anerkennen von sozialen Regeln in der Gruppe, angemessene Reaktion auf Kritik)
(5) soziale Durchsetzungsfähigkeit im Sinne von Selbstsicherheit (z. B. angemessenes Äußern eigener Bedürfnisse).
Der Erwerb dieser Fertigkeiten erfolgt nicht nur über Verhaltensregeln, die in sozialen Kontexten gelten, sondern auch über sozial-kognitive Kompetenzen, wie der sozialen Informationsverarbeitung (Crick & Dodge, 1994). Die Fertigkeiten sind unabhängig voneinander und stellen eigenständige Teilfertigkeiten dar, die jeweils wichtig, aber nicht zwingend erforderlich für eine gelungene sozial-emotionale Entwicklung sind.
Die soziale Informationsverarbeitung
Die soziale Informationsverarbeitung beschreibt eine Abfolge kognitiver Verarbeitungsschritte, durch die soziale Situationen interpretiert und bewertet werden. Sie entwickelt sich kontinuierlich über das Kindes- und Jugendalter. Die Schritte bauen aufeinander auf und sind abhängig voneinander. In Schritt eins und zwei werden soziale Hinweise wahrgenommen und dann interpretiert. In Schritt drei kommt es zu einer Formulierung von Absichten (z.B. sich nicht zu blamieren). Die letzten beiden Schritte beziehen sich auf das Abwägen möglicher Handlungsalternativen sowie die finale Umsetzung von Handlungen. Studien zeigen, dass Kinder mit geringen sozialen Kompetenzen oder problematischem Sozialverhalten häufig deutliche Defizite oder Verzerrungen in diesen sozial-kognitiven Prozessen aufweisen (Crick & Dodge, 1994; Helmsen & Petermann, 2010).
Die soziale Informationsverarbeitung wirkt dabei als Vermittler zwischen den Merkmalen sozialer Situationen, den bisherigen sozialen Erfahrungen eines Kindes und dem tatsächlich gezeigten Sozialverhalten (Beelmann & Lösel, 2005). Daraus ergibt sich die Bedeutung, bereits im Vorschulalter gezielt die soziale Informationsverarbeitung zu fördern, um sozial kompetentes Verhalten zu unterstützen (Beelmann et al., 2010).
Neben der sozialen Informationsverarbeitung spielt auch die emotionale Regulation eine wesentliche Rolle, da sie eng mit der Qualität des Sozialverhaltens und dem Ausmaß sozialer Kompetenzen verbunden ist. Insbesondere die Fähigkeit, Emotionen bei sich und anderen zu kennen und negative Gefühlszustände (Wut, Ärger, Angst) altersangemessen regulieren zu können, ist dabei von Bedeutung (Denham et al., 2009). Auch als Teil der Fertigkeitsbereiche, z.B. beim Selbstmanagement, wird die Relevanz von Empathie und Emotionsregulation hervorgehoben. Aus dem Grund wird oft von sozial-emotionaler Entwicklung gesprochen.
Förderung des Sozialverhaltens
Die Förderung des Sozialverhaltens im Vor- und Grundschulalter ist von besonderer Bedeutung, da eine Reihe von Längsschnittstudien belegt, dass Schwierigkeiten im Sozialverhalten in dieser Altersphase relativ stabil bleiben und die Entstehung von dissozialem Problemverhalten in der Adoleszenz vorhersagen können (z.B. Beelmann & Raabe, 2007). Ein Zusammenhang von hoher sozialer Kompetenz mit besseren Schulleistungen konnte hingegen in mehreren Studien gefunden werden (z.B. Asendorpf & van Aken, 1995).
Die Förderung verfolgt dabei zwei zentrale Ziele:
- Aufbau spezifischer sozialer Kompetenzen: Kinder sollen darin unterstützt werden, ihre Sozialentwicklung erfolgreich zu gestalten, anstehende soziale Entwicklungsaufgaben zu bewältigen und befriedigende soziale Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
- Prävention von sozialem Problemverhalten: Es soll vermieden werden, dass sich bereits bestehendes problematisches Sozialverhalten wie Aggression, soziale Ängste oder klinisch relevante Entwicklungsstörungen verfestigen.
Angesichts dessen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten vielfältige Interventionsansätze zur Förderung sozialen Verhaltens entwickelt, die nicht ausschließlich auf Kinder und Jugendliche abzielen, sondern auch unterschiedliche Ansätze der Eltern- und Familienarbeit einbeziehen. Vor allem soziale Trainingsprogramme sind weit verbreitet und die relevantesten davon im folgenden Absatz aufgeführt.
Praktische Tipps für Eltern und Literaturempfehlungen
Im Folgenden finden Sie Ratschläge und Empfehlungen für Trainingskurse, die zuhause oder in der Schule umgesetzt werden können. Diese beziehen sich auf die oben vorgestellten Fertigkeitsbereiche, um eine ganzheitliche Förderung der sozialen Kompetenz anzustreben. Viele Tipps können durch Rollenspiele und einfachen Übungen zuhause umgesetzt werden, in dem Sie die Rolle eines anderen Kindes einnehmen oder ihr Kind selbst die Perspektive wechseln soll.
(1) Fertigkeiten zur Bildung positiver Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen
Praktische Umsetzung im Alltag:
- Üben von sozial kompetenten Verhalten, z.B. durch Rollenspiele zum Thema Kontaktaufnahme zu anderen Kindern und angemessene Verhaltensreaktionen in Streitsituationen
- Identifikation von Emotionen bei sich und anderen, z.B. durch die Benennung von Gesichtsausdrücken
- Sensibilität in sozialen Situationen, z.B. durch Gruppendiskussionen zu den Situationen oder diese aus der Sicht anderer beschreiben
Literatur:
- EFFEKT-Kindertraining „Ich kann Probleme lösen" (Beelmann & Jaursch, 2016)
- Vorschulalter: „Lubo aus dem All!" (Hillenbrand et al., 2009)
(2) Selbstmanagementfertigkeiten
Praktische Umsetzung im Alltag:
- Üben der Kontrolle negativer Emotionen, z.B. durch Entspannungsverfahren (bei erhöhter Ängstlichkeit)
- Impulsive Verhaltensweisen unterbrechen und kontrollieren, z.B. mit Hilfe von Selbstinstruktionen: Stopp sagen, nachdenken, Handeln
Literatur:
- FAUSTLOS (Cierpka, 2014b)
- „Ich bleibe cool"-Training (Roth & Reichle, 2008)
(3) Fertigkeiten im Kontext schulischen Lernens
Praktische Umsetzung im Alltag:
- Unterstützung, mit Misserfolgen zurechtzukommen
- Aufmerksam zuhören, z. B. durch operante Methoden (vgl. Blogartikel zu Verstärkerplänen)
Literatur:
- Hier existieren vor allem schulische Förderprogramme, bei Bedarf können Klassenlehrkräfte angesprochen werden
(4) Kooperative Kompetenzen
Praktische Umsetzung im Alltag:
- Regellernen, z. B. durch Arbeit mit Handpuppen und spielerischen Aktivitäten durch Rollenspiele
Literatur:
- „KlasseKinderSpiel" (Hillenbrand & Pütz, 2008)
(5) Soziale Durchsetzungsfähigkeit im Sinne von Selbstsicherheit
Praktische Umsetzung im Alltag:
- Angemessenes Ausdrücken eigener Bedürfnisse, z. B. unter Peer-Druck, Übung mit Geschwistern oder Freunden
Literatur:
- „Ich bleibe cool"-Training (Roth & Reichle, 2008)
Literatur, die alle Kompetenzen abdeckt: Verhaltenstraining im Kindergarten, für Schulanfänger und in der Grundschule (Koglin & Petermann, 2013; Petermann et al., 2013).
Fazit
Die Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen ist eine Investition in die zukünftige Entwicklung und das Wohlbefinden Ihres Kindes. Durch gezielte Unterstützung im Alltag, über Fachliteratur und bei Bedarf auch durch professionelle Trainings können Sie Ihrem Kind dabei helfen, starke soziale Fähigkeiten zu entwickeln, die es ein Leben lang begleiten werden. Bei TALENT SAFARI unterstützen wir Sie dabei, die sozial-emotionale Entwicklung Ihres Kindes bestmöglich zu fördern. Unsere vielfältigen psychologischen Trainingsformate (siehe aktuelles Angebot an Kinderkursen) stärken gezielt emotional-soziale Kompetenzen und helfen Ihrem Kind, sich selbstbewusst und einfühlsam in seiner sozialen Welt zurechtzufinden, um es in seiner individuellen Entwicklung optimal zu begleiten.
Mehr Informationen und spannende Einblicke in die TALENT SAFARI gibt es auch auf unserem Instagram-Kanal.
Lara Harth
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Referenzen
Asendorpf, J. B. & van Aken, M. A. G. (1994). Traits and relationships status: Stranger vs. peer group inhibition and test intelligence vs. peer group competence as early predictors of later self-esteem. Child Development, 65, 1786–1798.
Beelmann, A. & Jaursch, S. (2016). Förderung sozialer Kompetenz bei Vorschulkindern: Ein sozial-kognitives Trainingsprogramm zur Prävention kindlicher Verhaltensprobleme. In T. Malti & S. Perren (Hrsg.), Soziale Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Entwicklungsprozesse und Förderungsmöglichkeiten (2. Aufl., S. 177–192). Stuttgart: Kohlhammer.
Beelmann, A. & Lösel, F. (2005). Entwicklung und Förderung der sozialen Informationsverarbei tung im Vor- und Grundschulalter. In T. Guldimann (Hrsg.), Bildung 4- bis 8-jähriger Kinder (S. 209–230). Münster: Waxmann.
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