Kinder haben Spaß an Sport und Bewegung und rennen über den Fußballplatz

Sport und psychische Gesundheit

 

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Einführung

Dass Sport förderlich für die Gesundheit ist, wird für die meisten keine große Überraschung mehr sein. Auch das Robert-Koch-Institut berichtet, dass Sport das Risiko für viele chronische Krankheiten senkt und bei der Behandlung dieser unterstützen kann (Mensink, 2002). Aber nicht nur für unser körperliches Wohlergehen ist Sport wichtig, auch unsere Psyche profitiert von sportlichen Aktivitäten. Beispielsweise konnte bei Erwachsenen schon mehrfach gezeigt werden, dass körperliche Betätigung eine effektive Methode zur Behandlung von Depressionen und depressiven Symptomen ist (Heissel et al., 2023). Die Forschungslage für Kinder und Jugendliche ist leider noch nicht ganz so ausgereift, wie das bei Erwachsenen der Fall ist, sodass man diese Erkenntnisse nicht eins zu eins auf Heranwachsende übertragen kann. Dennoch gibt es schon einiges an Wissen und Vermutungen über den Zusammenhang sportlicher Aktivität und psychischer Gesundheit bei Kindern. Was genau dazu schon herausgefunden wurde und Möglichkeiten, um Bewegung bei Kindern und Jugendlichen zu fördern, soll in diesem Blogbeitrag erläutert werden.

Wie hängt die körperliche Aktivität mit psychischer Gesundheit zusammen? Das sagt die Forschung:

Psychische Gesundheit ist ein breiter Begriff, der viele verschiedene Konzepte umfasst. Biddle und Kollegen (2019) haben sich in einer Übersichtsarbeit angesehen, wie körperliche Aktivität mit Depression, Angst, Selbstwert und kognitiven Fähigkeiten bei Kindern und Jugendlichen zusammenhängt. Was sie herausgefunden haben, wollen wir uns im Folgenden anschauen.

Depression

In den von Biddle und Kollegen betrachteten Studien konnte ein mittlerer Effekt von Sportinterventionen auf depressive Symptomatik von Kindern und Jugendlichen gefunden werden. Wenn nur Studien mit Kindern und Jugendlichen betrachtet werden, die eine diagnostizierte Depression hatten, war der Effekt sogar noch etwas stärker. Es gibt auch Studien, in denen die Teilnehmenden nicht dazu gebracht wurden, sich mehr zu bewegen, sondern lediglich das Bewegungsverhalten gemessen wurde, um dann einen Zusammenhang mit Depression zu untersuchen. In solchen Studien wurden nur kleine bis gar keine Zusammenhänge gefunden. Das kann daran liegen, dass der Zusammenhang tatsächlich sehr klein oder nicht vorhanden ist. Es kann aber auch auf Schwächen in der Messung zurückgeführt werden, zum Beispiel unzuverlässige Selbstberichte über körperliche Aktivität oder insgesamt so geringe depressive Symptomatik in den untersuchten Personen, dass es schwer ist, einen Unterschied zu finden. Es ist noch nicht ganz klar, über welchen Mechanismus eine höhere körperliche Aktivität zu weniger Depressionen führen kann. Möglicherweise geschieht das durch ein erhöhtes Selbstwirksamkeitserleben, durch die Regulation von Gefühlen und Stimmungen, durch die Ablenkung von negativen Gedanken oder durch die Verstärkung positiver Gedanken. Es gibt auch eine Reihe neurobiologischer Prozesse, die eine Rolle spielen können.

Angst

Die Forschung zum Effekt von Interventionen zur Förderung körperlicher Aktivität auf Angst ist leider noch sehr begrenzt und hat in den letzten Jahren scheinbar stagniert. Es gibt Studien, die eine Wirksamkeit von Sportinterventionen wie von psychologischen Behandlungsansätzen fanden, wenn es um die Reduktion von Angst geht (Larun et al., 2006). Es werden jedoch deutlich mehr und methodisch stärkere Studien benötigt, um hier eine klare Aussage zu treffen.

Selbstwert

Im Bereich Selbstwert hat sich in den letzten Jahren hingegen einiges getan. Allerdings gibt es auch hier gemischte Ergebnisse mit einigen Studien, in denen Sportinterventionen nur einen kleinen Effekt auf den Selbstwert hatten, bis hin zu Studien, in denen Sportinterventionen einen großen Effekt auf den Selbstwert hatten. Diese stark variierenden Ergebnisse könnten darauf zurückzuführen sein, dass der Selbstwert ein recht breites Konzept mit vielen Unterfacetten ist. Es gibt den globalen Selbstwert, aber auch bereichsspezifische Selbstwerte, wie zum Beispiel den körperlichen Selbstwert, der sich auf das Körperbild bezieht. Es ist erwartbar, dass der körperliche Selbstwert stärker mit sportlicher Betätigung zusammenhängt als andere Facetten des Selbstwerts, beispielsweise der leistungsabhängige Selbstwert. Es spielt also eine Rolle, wie der Selbstwert definiert und gemessen wird. Auch wenn noch nicht ganz klar ist, wie stark er ist, scheint es einen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Selbstwert zu geben. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass eine erhöhte körperliche Aktivität die Ursache für einen höheren Selbstwert ist. Es kann genauso gut sein, dass Kinder und Jugendliche mit einem höheren Selbstwert eher dazu motiviert sind, sich sportlich zu betätigen.

Kognitive Funktionen

Die größte Unterstützung dafür, dass Sport tatsächlich Verbesserungen der psychischen Gesundheit verursacht, gibt es in Bezug auf kognitive Funktionen. Die meisten von Biddle et al. (2019) betrachteten Studien zeigten einen bedeutsamen positiven Zusammenhang zwischen Sport und kognitiven Funktionen. Diese Ergebnisse beziehen sich jedoch auf kognitive Leistungen, die sich nicht direkt in akademische Leistungen übersetzen lassen. Nach Donelly und Kollegen (2016) gibt es einen recht klaren Zusammenhang zwischen körperlicher Fitness und akademischer Leistung, jedoch keinen klaren Effekt von Sportinterventionen auf akademische Leistung.

Was beeinflusst die sportliche Aktivität bei Kindern?

Auch wenn die Forschungslage zu den genauen Beziehungen und Ursachen noch gemischt ist, ist doch klar, dass Sport einige positive Effekte für die psychische Gesundheit haben kann. Kinder sollten also darin unterstützt werden, sich regelmäßig zu bewegen. Daher stellt sich die Frage: Was fördert sportliche Aktivität bei Kindern und was wirkt dieser entgegen? Was kann und sollte getan werden, um Sport bei Kindern in den Alltag zu integrieren?

Genetik

Ein Faktor, der das körperliche Aktivitätsniveau beeinflusst, ist die Genetik. Abhängig von den Maßen der körperlichen Aktivität und ethnischen Faktoren konnten 18 bis 69 Prozent des Aktivitätsniveaus auf Gene zurückgeführt werden (Vögele, 2021). In Untersuchungen, die auf das Humane Genom Projekt (Collins et al., 2003) folgten, konnten schon zahlreiche Allele identifiziert werden, die mit dem körperlichen Aktivitätsniveau in Verbindung stehen. Man möge jetzt vielleicht denken, dass wir auf unsere Genetik ohnehin keinen Einfluss haben. Unsere Umgebung kann jedoch beeinflussen, wie stark unsere Genetik uns beeinflusst. Beispielsweise ist der Einfluss von Genetik auf das körperliche Aktivitätsniveau heutzutage vermutlich stärker als früher, da wir die Wahl haben, uns für oder gegen Bewegung zu entscheiden, während diese früher in vielen Situationen lebensnotwendig war. Der Einfluss der Umgebung ist vor allem in jungen Jahren wichtig, im Erwachsenenalter spielen die Gene hier eine immer größere Rolle. Daher sind Maßnahmen zur Förderung sportlicher Gewohnheiten vermutlich in besonders frühem Alter am erfolgreichsten.

Psychosoziale Korrelate

Eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Bewegungsverhaltens von Kindern spielen die Eltern. Besonders bei jungen Kindern (ca. bis zu 10 Jahren) dient das elterliche Bewegungsverhalten den Kindern als Vorbild. Neben diesem indirekten Einfluss als Modell können Eltern ihre Kinder auch direkt unterstützen, indem sie die Voraussetzungen für körperliche Aktivität schaffen. Das kann beispielsweise durch die Anmeldung in einem Sportverein geschehen. Noch größtenteils ungeklärt ist, welche Rolle Peers bei der Entwicklung des Bewegungsverhaltens spielen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Unterstützung durch Freunde und ein Gefühl der Akzeptanz durch Freunde sportliche Aktivitäten begünstigen.

Umgebungsfaktoren

Nicht nur die Einflüsse durch die Menschen, mit denen Heranwachsende sich umgeben, sind bedeutsam. Auch die Umgebung, in der Kinder leben, beeinflusst das Bewegungsverhalten. Beispielsweise gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Zugangsmöglichkeiten zu öffentlichen Sportstätten sowie der Güte der Transport-Infrastruktur. Mit einer schlechten Verkehrs- und Sicherheitslage geht jedoch weniger Aktivität einher (Krahnstoever, Davison & Lawson, 2006). Eigentlich einleuchtend: Um sich sportlich zu betätigen, müssen Kinder und Jugendliche Möglichkeiten haben, sicher zu Orten zu gelangen, an denen sportliche Betätigung möglich ist.

Ein vielversprechender Ansatzpunkt für Interventionsprogramme sind auch die Wege von einem Ort zum anderen. Während immer mehr Strecken mit dem Auto zurückgelegt werden, könnte die Bewegung von Kindern und Jugendlichen dadurch gefördert werden, dass sie mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu ihrem Ziel gelangen. Hier spielt jedoch auch eine Rolle, wie viele Sorgen sich die Eltern um ihre Kinder machen, wenn sie im Verkehr unterwegs sind. Häufig ist es aber gar nicht das objektive Sicherheitsrisiko, das mit dem eingeschränkten Aktivitätsradius einhergeht, sondern lediglich die Sicherheitsbedenken der Eltern (Carver et al., 2010). Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis kann an dieser Stelle das Vertrauen der Eltern und somit den Aktionsradius der Kinder erhöhen, was mehr Bewegung ermöglicht (Timperio et al., 2004).

Eine Möglichkeit, durch die alle Kinder erreicht werden, ist Schulsport. Hier kann das Bewegungsverhalten von Kindern gefördert werden, indem mehr und längere Sportstunden eingeführt werden, in denen die Aktivität noch mehr gesteigert wird als es bisher der Fall ist. Zusätzlich sollten Kinder über die Bedeutung von körperlicher Bewegung lernen. So kann eine gute Grundlage für ein gesundes Bewegungsverhalten geschaffen werden. Der Schulsport ist allerdings zeitlich begrenzt und Kriemer und Kollegen (2001) konnten herausfinden, dass Interventionen zur Bewegungsförderung innerhalb des Schulsport sich nicht auf das Aktivitätsverhalten in der Freizeit auswirken. Umso wichtiger ist es, Bewegung aktiv in die Freizeit zu integrieren, wenn man bedenkt, dass die meisten Kinder und zwei bis drei Schulstunden Sportunterricht pro Woche haben.

Fazit

Es gibt also viele Möglichkeiten, körperliche Aktivität bei Kindern und Jugendlichen zu fördern und viele Gründe das zu tun. Die genauen Ursachen und Stärken der Zusammenhänge sind an vielen Stellen noch unklar, doch die Wissenschaft liefert viele Hinweise darauf, dass körperliche Aktivität mit besserer psychischer Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen einhergeht, geht es nun um das Vorbeugen oder Behandeln einer Depression, Angst, den Selbstwert oder kognitive Leistung. Sportliche Aktivität in Kindern sollte möglichst früh gefördert werden, um die Bildung gesunder Sportgewohnheiten zu schaffen. Dafür ist es sowohl wichtig, dass Kinder sicher zugängliche Orte für Sport haben, als auch, dass Eltern und Freunde sie dabei unterstützen. Es liegt in der Natur von Kindern, dass sie sich bewegen wollen. Es gilt, die richtigen Bedingungen zu schaffen, um dies zu ermöglichen und eine nachhaltig gesunde Entwicklung zu unterstützen.

Kristin Teichert

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Referenzen

Carver, A., Timperio, A., Hesketh, K., & Crawford, D. (2010). Are children and adolescents less active if parents restrict their physical activity and active transport due to perceived risk? Social Science & Medicine, 70(11), 1799–1805.

Collins, F. S., Morgan, M., & Patrinos, A. (2003). The Human Genome Project: Lessons from Large-Scale Biology. Science, 300(5617), 286–290.

Donnelly, J. E., Hillman, C. H., Castelli, D., Etnier, J. L., Lee, S., Tomporowski, P., Lambourne, K., & Szabo-Reed, A. N. (2016). Physical activity, fitness, cognitive function, and academic achievement in children. Medicine & Science in Sports & Exercise, 48(6), 1197–1222. https://doi.org/10.1249/mss.0000000000000901

Heissel, A., Heinen, D., Brokmeier, L. L., Skarabis, N., Kangas, M., Vancampfort, D., Stubbs, B., Firth, J., Ward, P. B., Rosenbaum, S., Hallgren, M. & Schuch, F. (2023). Exercise as medicine for depressive symptoms? A systematic review and meta-analysis with meta-regression. British Journal of Sports Medicine, 57, 1049-1057.

Larun, L., Nordheim, L. V., Ekeland, E., Hagen, K. B., & Heian, F. (2006). Exercise in prevention and treatment of anxiety and depression among children and young people. The Cochrane Database of Systematic Reviews, 3, CD004691.

Mensink, G. B. M. (2002). Bundes-Gesundheitssurvey: Körperliche Aktivität. Aktive Freizeitgestaltung in Deutschland. In Robert Koch-Institut (Hrsg.), Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: Robert Koch-Institut.

Timperio, A., Crawford, D., Telford, A., & Salmon, J. (2004). Perceptions about the local neighbourhood and walking and cycling among children. Preventive Medicine, 38(1), 39–47.

Vögele, C. (2019). Die Rolle von Sport und Bewegung für die körperliche und psychische Gesundheit. In Springer eBooks (pp. 967–977). https://doi.org/10.1007/978-3-662-57369-3_53