Ein verdrehtes Maßband auf gelbem Hintergrund - symbolisch für Intelligenzminderung

Intelligenzminderung (Minderbegabung)

 

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Was ist eine Intelligenzminderung?

Eine Minderbegabung oder auch Intelligenzminderung, wie sie im DSM-5 bezeichnet wird, zählt zu den Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung des Gehirns (Falkai & Wittchen, 2015). Personen mit einer Intelligenzminderung weisen Entwicklungsdefizite in verschiedenen Bereichen auf, die zu Beeinträchtigungen im persönlichen, sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveau führen können.

Die Defizite können umfassend, aber auch spezifisch sein, also nur einzelne Bereiche betreffen. Eine spezifische Störung der neuronalen und mentalen Entwicklung ist beispielsweise ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung). Kinder mit ADHS fallen oft auf, weil sie sich nicht ihrem Alter entsprechend konzentrieren oder still sitzen können. Auch wenn ADHS häufig gemeinsam mit spezifischen Lernstörungen auftritt, so sind trotzdem vor allem abgrenzbare Bereiche betroffen (Aufmerksamkeit und / oder Hyperaktivität).

Eine Intelligenzminderung hingegen ist umfassend. Sie zeichnet sich durch eine verlangsamte oder unvollständige Entwicklung geistiger Fähigkeiten aus. Es sind verschiedene Bereiche, wie etwa schlussfolgerndes Denken, abstraktes Denken, Planen, Urteilen und Lernen insgesamt betroffen.

Bei einer Intelligenzminderung sind die Fähigkeitsdefizite weit unterdurchschnittlich ausgeprägt. Deshalb kommt es außerdem zu Einschränkungen in der Anpassungsfähigkeit. Betroffene Kinder sind in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt und können den Alltag nur mit Hilfestellungen bewältigen. Beispielsweise können sie keinem regulären Beruf nachgehen, nicht am sozialen Leben teilhaben oder sind in diesen Lebensbereichen anderweitig eingeschränkt und auf Hilfe angewiesen. Oft wird in diesem Kontext auch von „geistiger Behinderung“ gesprochen (Falkai & Wittchen, 2015).

Wie kann man eine Intelligenzminderung feststellen?

Hinweise für starke kognitive Beeinträchtigungen äußern sich in der Regel schon früh, häufig schon vor dem Schuleintritt. Schon im Kindergarten haben betroffene Kinder deutliche Schwierigkeiten, neue Sachen zu lernen oder zeigen ein Spielverhalten, das nicht altersentsprechend ist.

Je nachdem, wie stark die einzelnen Bereiche der kognitiven Fähigkeiten und des Anpassungsniveaus beeinträchtigt sind, wird zwischen einer leichten, mittleren, schweren und extremen/schwersten Störung der intellektuellen Entwicklung gesprochen (Falkai & Wittchen, 2015). Um dies objektiv abzuklären und voneinander abzugrenzen, wird meist ein standardisierter Intelligenztest durchgeführt. Mithilfe unterschiedlicher Aufgabentypen, die verschiedene Facetten der kognitiven Leistungsfähigkeit messen, kann so auf die allgemeine Intelligenz geschlossen werden.

Die Mehrheit der Menschen (68 %) erreicht in einem Intelligenztest einen IQ-Wert zwischen 85 und 115. Von einer Intelligenzminderung spricht man erst, wenn die gemessene Intelligenz unter einem IQ-Wert von 70 liegt.

Dieser Wert entspricht einem Prozentrang von etwa 2 %. Der Prozentrang gibt an, wie viele Personen aus der Vergleichsgruppe (z. B. im selben Alter) unter dem eigenen Wert liegen oder zumindest einen gleich hohen Wert erzielen. Erreicht eine Person den Prozentrang 2 schneiden also nur 2 % der Vergleichsgruppe schlechter oder zumindest gleich schlecht ab. Folglich erreichen 98 % bessere Testleistungen. Somit ist der erreichte IQ-Wert bei einer Intelligenzminderung als weit unterdurchschnittlich einzustufen. Wie die Einteilung des Schweregrades anhand der IQ-Werte genau erfolgt, ist in der Abbildung zu sehen (vgl. Wagener-Stiftung für Sozialpädiatrie, 2024).

Außerdem kann man gut erkennen, dass Ausprägungen, die vom Durchschnitt abweichen, immer seltener werden. Das gilt übrigens auch für Werte im überdurchschnittlichen Bereich. Ab einem IQ-Wert von 130 spricht man von einer intellektuellen Hochbegabung. Ein IQ-Wert von 130 entspricht einem Prozentrang von circa 98. Somit schneidet die getestete Person besser ab als etwa 98 % der gleichaltrigen Personen, die als Vergleichsgruppe herangezogen werden.

Die Aussagekraft von Intelligenztests bei gemessenen IQ-Werten unter 70 wird oft diskutiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass intelligenzgeminderte Personen die Anweisungen für die Aufgaben erst gar nicht verstehen. Weiterhin liegen gleichzeitig oft andere Beeinträchtigungen, wie Seh- und / oder Hörstörungen oder schwere Verhaltensstörungen vor, die eine valide Diagnostik erschweren.

Daher sollten auch Beschreibungen typischer Entwicklungsprobleme, standardisierte Entwicklungstests und das Ausmaß der sozialen und lebenspraktischen Beeinträchtigungen sowie der Anpassungsfähigkeit herangezogen werden. Weiterhin sind eine umfassende (Familien-)Anamnese und medizinische Untersuchungen erforderlich. Wenn der Schweregrad einer Intelligenzminderung nicht bestimmt werden kann, wird die Diagnose „sonstige Intelligenzminderung“ vergeben (Falkai & Wittchen, 2015).

Zahlen und Fakten zur Intelligenzminderung 

Die Intelligenzminderung kann genetisch bedingt sein oder durch verschiedene umweltbedingte Schädigungen erworben werden. Genetische Ursachen sind beispielsweise chromosomale Störungen wie Trisomie 21, das Fragiles-X-Syndrom oder das Prader-Willi-Syndrom. Außerdem können vorgeburtliche Schlaganfälle, Sauerstoffmangel vor oder während der Geburt, Fehlbildungen des Gehirns oder Drogenkonsum der Mutter mögliche Ursachen sein.

Auch postnatale Risiken, die in Deutschland selten sind, können vorkommen. Darunter fallen unter anderem Hirntumore, Infektionen wie eine Meningitis oder ein Schädelhirntrauma. Darüber hinaus kann auch eine schwere und lang andauernde sozial-emotionale Vernachlässigung zu einer intellektuellen Entwicklungsstörung führen.

Wie in der Grafik zu sehen ist, sind nur wenige Menschen von einer Intelligenzminderung betroffen. Die Verbreitung wird auf etwa 2 % geschätzt. Davon erfüllen circa 85 % die Kriterien einer leichten kognitiven Störung, circa 10 % die Kriterien für eine mittelgradige kognitive Störung und circa 3-4 % die Kriterien für eine schwere kognitive Störung. Demnach sind nur etwa 1-2 % von einer Intelligenzminderung des schwersten Grades betroffen, in manchen Studien wird sogar von nur 0,6 % gesprochen. In der Gesamtbevölkerung ist also nur etwa 1 Person von 10.000 Personen betroffen.

Gegenüber weiblichen Personen sind männliche ungefähr 1,5x so oft betroffen. Außerdem weisen Personen mit Intelligenzminderung ein drei bis vierfach erhöhtes Risiko für weitere psychiatrische Syndrome auf (Komorbidität). Häufige komorbide Störungen sind etwa Epilepsie oder Verhaltensauffälligkeiten. Beispielsweise treten bei intelligenzgeminderten Personen häufig Aggressionen gegen sich oder andere auf.

Der Verlauf einer intellektuellen Entwicklungsstörung ist von vielen Faktoren abhängig. Ausschlaggebende Faktoren sind Grund- und Folgeerkrankungen sowie Komorbiditäten und der Schweregrad der Beeinträchtigung und die Förderungsmaßnahmen. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine genetische Screening-Untersuchung zu veranlassen. Diese ermöglicht genauere Aussagen über den Verlauf und kann betroffene Familien durch die Identifikation von Ursachen entlasten.

Die Intellektuelle Entwicklungsstörung selbst lässt sich nicht medikamentös behandeln. Jedoch hat sich gezeigt, dass regelmäßige Fördermaßnahmen (z. B. Verhaltenstherapie), die schon früh einsetzt, hilfreich sein können (Didden, Duker & Korzilius, 1997). Diese wirkt sich stark auf die Anpassungsfähigkeit eines betroffenen Kindes aus. Eine Verhaltenstherapie kann somit  zu einer größeren Selbstständigkeit beitragen und eine signifikante Verbesserung des intellektuellen Funktionsniveaus bewirken (Falkai & Wittchen, 2015).

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Sophia Geist

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Referenzen

Falkai, P. & Wittchen, H. U. (2015). Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM-5). Göttingen: Hogrefe.

Didden, R., Duker, P. C. & Korzilius, H. (1997). Meta-analytic study on treatment effectiveness for problem behaviors with individuals who have mental retardation. American Journal on Mental Retardation, 101, 387–399.

Wagener-Stiftung für Sozialpädiatrie (2024). Intelligenzminderung. https://www.genetik-info.de/intelligenzminderung/