jüngere und ältere Version eines Jungen - symbolisiert die Stabilität der Intelligenz

Wie stabil bleibt meine Intelligenz?

 

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Die Aussagekraft kognitiver Tests über die Lebensspanne: Wie stabil sind unsere kognitiven Fähigkeiten?

Unsere kognitiven Fähigkeiten, vereinfacht gesagt unsere Intelligenz, bilden die Grundlage unseres Denkens. Dank ihnen können wir Signale aus der Umwelt wahrnehmen und weiterverarbeiten. Sie werden oft herangezogen, um Leistung, Erfolg und Motivation vorherzusagen. Des Weiteren bestimmen Ergebnisse kognitiver Tests oft Entscheidungen über Behandlungen und Interventionen.

Aber wie aussagekräftig sind kognitive Tests überhaupt? Wie stabil sind unsere kognitiven Fähigkeiten über die Lebensspanne und wie gut können anhand kognitiver Tests überhaupt Aussagen über den Schulerfolg sowie weitere psychische Merkmale getroffen werden?

Angesichts der Einsatzhäufigkeit kognitiver Tests in Bezug auf Bildungs- oder Berufsentscheidungen, ist es wichtig, diesen Fragen nachzugehen. Wir stellen mit unserer TALENT SAFARI einen Kontext dar, in dem Kinder und Jugendliche – neben vielen anderen psychologischen Testverfahren – standardmäßig kognitive Messungen (Intelligenztests) durchlaufen. Wir setzen kognitive Tests ein, um individuelle kognitive Profile abbilden zu können, die uns Aufschluss über die altersgerechte Entwicklung eines Kindes sowie die jeweiligen Stärken und Schwächen geben.

Kognitive Tests dienen also als Orientierung, um über adäquate Behandlungen und Interventionen zu bestimmen. Sie verfolgen das Ziel, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung bestmöglich zu unterstützen. Deshalb wollen wir Ihnen mit diesem Blogartikel einen Einblick in die Messung kognitiver Fähigkeiten verschaffen.

Gerne möchten wir Ihnen eine spannende Forschungsarbeit vorstellen, die wichtige Erkenntnisse zum Thema hervorgebracht hat. In einer jüngst veröffentlichten Metaanalyse beschäftigten sich Breit et al. (2024) mit der Frage zur Stabilität kognitiver Fähigkeiten. Bevor wir jedoch vertieft auf die Studie und deren Befunde eingehen, ist es vorab wichtig, bestimmte Begrifflichkeiten zu klären.

(1) Was versteht man eigentlich unter kognitiven Fähigkeiten und einer Metaanalyse?

Kognitive Fähigkeiten umfassen alle bewussten und unbewussten mentalen Prozesse, die von Wahrnehmung bis hin zum Denken reichen. Sie bilden also die Grundlage unseres Denkens. Zu den kognitiven Fähigkeiten zählen zum einen die allgemeine Intelligenz und zum anderen auch spezifische Fähigkeiten, wie z. B. fluides Denken, Arbeitsgedächtniskapazität und Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Die allgemeine Intelligenz lässt sich wiederum in zwei Faktoren aufteilen: Fluide und kristalline Intelligenz. Fluide Intelligenz umfasst grundlegende Prozesse des Denkens und ist weitgehend unabhängig von Erfahrungen. Kristalline Intelligenz hingegen umfasst die Fähigkeit, erworbenes Wissen anzuwenden und gilt als überwiegend kulturabhängig (Carroll, 1993; Horn & Cattell, 1966).

Bei einer Metaanalyse handelt es sich um eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit, die die Ergebnisse aus unterschiedlichen Studien zu einem bestimmten Thema zusammenfasst. Anhand einer Metaanalyse wird also ein Überblick über die bisherige Befundlage geschaffen. Ein solcher Überblick ermöglicht es, Unterschiede in den Ergebnissen aus Studien zu einem inhaltlich gleichen Thema zu klären.

Die Metaanalyse von Breit et al. (2024) fasst Studien zusammen, die Längsschnittuntersuchungen vorgenommen haben. Hierbei wird dieselben Versuchspersonen mehrmals über einen längeren Zeitraum untersucht. Im Vergleich zu einer Querschnittsuntersuchung umfasst eine Längsschnittuntersuchung also mehrere Messzeitpunkte. Dank dieser wiederholten Messungen können Veränderungen über die Zeit hinweg untersucht werden. So kann beispielsweise auch die Entwicklung eines bestimmten Merkmals wie Intelligenz gut abgebildet werden.

Breit et al. (2024) haben Studien zusammengefasst, die sich mit der Stabilität kognitiver Fähigkeiten über mehrere Messzeitpunkte hinweg befasst haben. Die Forschenden haben sich angesehen, inwiefern sich die Stabilität kognitiver Fähigkeiten nicht nur in Abhängigkeit des Alters, sondern auch in Abhängigkeit weiterer Bedingungen verändert: Zeitintervall zwischen den einzelnen Messzeitpunkten und verwendete Tests zur Erfassung kognitiver Fähigkeiten.

(2) Was kam bei der Studie heraus? Wie sieht die aktuelle Befundlage zur Stabilität kognitiver Fähigkeiten aus?

Bei der Untersuchung des Effektes des Alters auf die Stabilität (ob und inwiefern sich die Stabilität über die Lebensspanne verändert) zeigte sich eine geringe Stabilität bei Vorschulkindern, eine schnelle Zunahme der Stabilität im Kindesalter und eine durchweg hohe Stabilität vom späten Jugendalter bis ins späte Erwachsenenalter. Bezüglich des Einflusses der Zeitspanne zwischen den einzelnen Messungen verdeutlichen die Ergebnisse, dass die Stabilität mit zunehmendem Intervall abnimmt. Je größer das Zeitintervall zwischen den Messungen, desto geringer ist die Stabilität. Dieser Abfall flacht dann ab einem Intervall von 5 Jahren ab.

Neben dem Zeitintervall spielt jedoch auch das verwendete Messinstrument eine entscheidende Rolle. Kognitive Tests, die mehrere Dimensionen von Intelligenz messen, weisen eine höhere Stabilität auf als solche Tests, die sich nur auf einzelne Dimensionen beschränken. Es ist also sinnvoll, multidimensionale statt eindimensionale Tests zu verwenden, wenn es sich um diagnostische Entscheidungen handelt, die mit langfristigen Konsequenzen verbunden sind (z. B. Wahl der geeigneten Schulform). Aus ökonomischen Gründen (z. B. Durchführungsdauer) werden in der Praxis jedoch oft Tests herangezogen, die sich nur auf eine Dimension stützen. Es ist daher im Rahmen einer psychologischen Diagnostik wichtig, die Vorteile eines Messinstruments gegenüber den Nachteilen entsprechend abzuwägen.

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Metaanalyse von Breit et al. (2024) schließt sich aus den Ergebnissen zur erreichten Mindeststabilität (.70 als liberales Stabilitätskriterium und .80 als strenges Stabilitätskriterium), die für individuelle diagnostische Entscheidungen vorliegen muss. Hier stellte sich heraus, dass diese nur über einem Alter von 7 Jahren und nur für kurze Zeitintervalle bei Kindern erreicht werden kann. Bei Erwachsenen sieht das anders aus. Hier wird diese Mindeststabilität für Zeiträume von über 5 Jahren erreicht (siehe Abbildung).

(3) Was können wir aus diesen Ergebnissen schließen?

Die Ergebnisse der Metaanalyse stellen einen relevanten Beitrag zum aktuellen Forschungsstand zur Stabilität kognitiver Fähigkeiten dar. Sie bieten eine Orientierung, um zu bestimmen, wann und wie oft kognitive Fähigkeiten erfasst werden müssen, um überhaupt Aussagen über den Schulerfolg und weitere Merkmale treffen zu können. So zeigte sich, dass bei jüngeren Kindern die Stabilität nicht einmal für ein Jahr gegeben ist.

Deshalb sollten besonders im frühen Kindesalter (3-7 Jahre) kognitive Tests wiederholt und unter Berücksichtigungen kurzer Zeitintervalle erfolgen, um valide diagnostische Entscheidungen zu treffen. Ab dem Alter von 8 Jahren kann eine ausreichende Stabilität für ein Zeitintervall von 2 Jahren zwischen den Messungen erwartet werden. Und ab 18 Jahren kann davon ausgegangen werden, dass die kognitiven Fähigkeiten über einen Zeitraum von 6 Jahren stabil sind.

Trotz dieser Befunde sollte jedoch die Individualität jeder Person nicht vergessen werden. Selbst eine hohe Stabilität schließt die Möglichkeit größerer Veränderungen in der Intelligenz über kurze Zeitintervalle für bestimmte Personen nicht aus. Zum Beispiel können in Fällen von schwerer Erkrankung, psychosozialem Stress oder Veränderungen in Bildungs- oder sozialen Erfahrungen auch kürzere Zeitintervalle angemessen sein.

Aus der Studie lässt sich schlussfolgern, dass besonders im jungen Kindesalter kognitive Fähigkeiten Veränderungen aufweisen und noch recht instabil sind. Mehrere Messungen sollten hier durchgeführt werden, um die kognitive Entwicklung und etwaige Lernschwierigkeiten des Kindes bestimmen zu können und diagnostische Entscheidungen zu treffen.

Wir bei TALENT SAFARI lassen Befunde aus der Forschung, wie die der Metaanalyse von Breit et al. (2004), in unseren Praxisalltag einfließen. Deshalb setzen wir standardmäßig multidimensionale Intelligenztests ein, die uns eine differenzierte Bestimmung kognitiver Fähigkeiten erlauben. Wir sind uns bewusst, dass IQ-Werte mit der Zeit und je nach Messung variieren können, besonders bei Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter. Es ist daher wichtig, länger zurückliegende Ergebnisse einer kognitiven Messung mit Vorbehalt zu interpretieren. Gerade wenn wichtige Entscheidungen anstehen, wie z. B. die frühzeitige Einschulung eines Kindes, dann sollte ein aktueller Intelligenztest die Grundlage für Empfehlungen darstellen.

Mehr Informationen gibt es auch auf unserem Instagram-Kanal.

Marlis van den Berg

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Referenzen

Breit, M., Scherrer, V., Tucker-Drob, E. M., & Preckel, F. (2024). The stability of cognitive abilities: A meta-analytic review of longitudinal studies. Psychological Bulletin, 150, 399–439.

Carroll, J. B. (1993). Human cognitive abilities: A survey of factor-analytical studies. New York, NY: Cambridge UP.

Horn, J. L. & Catell, R. B. (1966). Refinement and test of the theory of fluid and crystallized intelligence. Journal of Educational Psychology, 57, 253–270.