Videospielsucht bei Kindern & Jugendlichen
Einleitung
Handy, Tablet, Konsole, Computer und Fernseher – 98 % der Haushalte in Deutschland besitzen mindestens eines dieser technischen Geräte (Tenzer, 2022) und sie alle haben etwas gemeinsam: Man kann auf ihnen Videospiele spielen. Ob unterwegs, auf dem Handy, zu Hause, am Computer oder mit Freund:innen gemeinsam am Fernseher – die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Etwa 2 % der Menschen weltweit sind im Sinne einer Suchterkrankung bereits abhängig von technischen Geräten und die Tendenz ist steigend (Stevens et al., 2021).
Noch immer wird der Begriff „Sucht“ häufig mit der Abhängigkeit von psychotropen Substanzen wie Alkohol oder anderen Drogen in Verbindung gebracht. Doch auch stoffungebundene Süchte, die sogenannten Verhaltenssüchte, gewinnen in unserer Gesellschaft immer mehr an Relevanz. Das zentrale Merkmal einer Verhaltenssucht ist die mangelnde Fähigkeit einer Person, sich einem wiederkehrenden Handlungsimpuls oder -drang zu widersetzen. Das Verhalten wird ausgeführt, obwohl die an sich nicht pathologische Handlung in dem gezeigten Ausmaß negative Folgen für die Person oder andere Menschen hat (Müller & Stark, 2021). Zu den Verhaltenssüchten zählen beispielsweise Glücksspielsucht, Arbeitssucht, Kaufsucht und Videospielsucht.
Videospiele sind spätestens seit Erfindung vom Game Boy vor knapp 35 Jahren aus den Kinderzimmern kaum noch wegzudenken. Deshalb soll dieser Beitrag wichtige Einblicke in das häufig verkannte Thema Videospielsucht bei Kindern und Jugendlichen geben.
Definition Videospiele
Die Bezeichnung Videospiele schließt Computer-, Konsolen-, Tablet/PC-, Online- und Handy-Spiele mit ein (Hartmann, 2021).
Merkmale und Diagnostik einer Videospielsucht
Im Gegensatz zu den substanzgebundenen Süchten spielen exogen zugeführte Stoffe bei den Verhaltenssüchten keine Rolle. Es ist vielmehr die spezifische Handlung an sich, welche durch ihren belohnenden Charakter positiv verstärkt wird. Bei Suchtverhalten im Allgemeinen werden im Gehirn Glückshormone und bestimme Neurotransmitter wie Dopamin ausgeschüttet, wodurch die ausgeführte Tätigkeit als belohnend erlebt wird. Die Darbietung von Belohnungen in Videospielen geschieht häufig in Form einer intermittierenden (also einer unterbrochenen, scheinbar zufälligen) Verstärkung, die das Verhalten weiter aufrechterhält. Dabei wird nicht das ganze Spiel, sondern nur eine einzelne Spielhandlung belohnt. Für das spielende Kind ist der Zeitpunkt der Belohnung i.d.R. nicht vorhersehbar und erfolgt teilweise sogar zufällig. In lernpsychologischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine solch intermittierende Verstärkung ein langanhaltendes und hoch frequentiertes Verhalten begünstigt (z. B. Rehbein & Borchers, 2009), was auch in zahlreichen Studien mit Tieren als Versuchsobjekten gezeigt werden konnte.
Wenn das Videospielen bei Kindern und Jugendlichen den normalen Rahmen deutlich übersteigt – ab etwa 4 Stunden täglich wird bereits von Abhängigkeit gesprochen – dann kann daraus in Kombination mit anderen Faktoren eine Verhaltenssucht entstehen. Ein wesentliches Merkmal sind die mit dem Videospielen verknüpften negativen Konsequenzen finanzieller, interpersoneller, physischer oder psychischer Natur, die eine große Belastung für das jeweilige Kind / Jugendlichen und die Eltern / Familie darstellen (Müller & Stark, 2021).
Zu diagnostizieren ist pathologisches Videospielen als sogenannte Computerspielstörung nach ICD-11 (WHO, 2019). Es werden folgende Merkmale formuliert:
- Kontrollverlust über das Spielverhalten
- Priorisierung des Spielverhaltens über andere Lebensinteressen und tägliche Aktivitäten
- Fortsetzung oder Eskalation des Spielverhaltens trotz negativer Konsequenzen
Das deutlich überdurchschnittliche Spielverhalten muss sich laut WHO (2019) über einen längeren Zeitraum (z. B. 12 Monate) zeigen, wobei es kontinuierlich oder episodisch und wiederkehrend verlaufen kann. Außerdem lässt sich das Spielverhalten nicht besser durch eine andere psychische Störung erklären und ist nicht auf die Einnahme von Substanzen oder Medikamente zurückzuführen. Darüber hinaus führt das Spielverhalten zu Beeinträchtigungen in wichtigen Funktionsbereichen (z. B. familiäre, schulische oder berufliche Funktionsbereiche).
Prävalenz
In Deutschland ist jeder zwölfte Junge bzw. junge Mann süchtig nach Videospielen. Nach der DAK-Studie „Game Over“ aus dem Jahr 2016 erfüllen 8,4 % der männlichen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 12-25 Jahren die Kriterien für eine Abhängigkeit nach der sogenannten „Internet Gaming Scale“ (Pontes et al., 2015). Bei den Betroffenen verursacht die exzessive Nutzung von Videospielen in der Regel massive Probleme (v. a. Kontaktverluste, Vernachlässigung von Schule und Arbeit, etc.). Der Anteil der betroffenen Mädchen und jungen Frauen ist mit 2,9 % übrigens deutlich geringer.
Ausblick
Liegt bei einem Kind oder einem Jugendlichen ein begründeter Verdacht auf eine Videospielsucht vor, dann sollten Eltern und Lehrkräfte aktiv werden. Psychologische Hilfestellungen sind dann besonders wichtig, um den Suchtverdacht professionell abklären zu lassen.
TALENT SAFARI bietet notwendige psychologische Diagnostik, um zu überprüfen, welche Ausmaße das Spielverhalten bereits bekommen hat und ob eine Computerspielstörung diagnostiziert werden sollte. Wenn Sie Interesse haben, dann schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder rufen Sie uns an, um einen Termin für ein Kennenlernen zu vereinbaren!
Ausblick und Hilfsangebote
Falls Sie oder Ihr Kind Bedenken bezüglich des Videospielkonsums haben, können Sie sich auch an folgende Beratungs- und Informationsstellen wenden:
https://www.computersuchthilfe.info/
https://erstehilfe-internetsucht.de
Lara Felicia Harth
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Referenzen
American Psychiatric Association (2015). Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5. Göttingen: Hogrefe.
Bodanowitz, J. (2016). Game Over: Wie abhängig machen Videospiele? Verlag wird noch ergänzt.
Hartmann, M. (2021). Exzessiver Videospielkonsum bei jungen Erwachsenen: Einfluss auf den Schlaf und das deklarative Gedächtnis sowie die Hormone Melatonin und Cortisol. Verlag wird noch ergänzt.
Rehbein, F., Borchers, M. & Niedersachsen, K. F. (2009). Süchtig nach virtuellen Welten? Exzessives Computerspielen und Computerspielabhängigkeit in der Jugend. Verlag wird noch ergänzt.
Stark, R. & Müller, A. (2021). Verhaltenssüchte. Psychotherapeut, 66, 91-96.
Stevens, M. W., Dorstyn, D., Delfabbro, P. H., & King, D. L. (2021). Global prevalence of gaming disorder: A systematic review and meta-analysis. Australian & New Zealand Journal of Psychiatry, 55, 553-568.
Tenzer, F. (2022). Titel wird noch ergänzt. Statista. Verfügbar unter: https://de.statista.com/themen/1095/gaming/#topicHeader__wrapper (11.02.2023)
World Health Organization (2019). ICD-11: International Classification of Dieseases (11th revision). Verlag wird noch ergänzt.
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