
Plötzlich verändert? Warnsignale bei Depressionen im Kindes- und Jugendalter
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Einleitung
Depression bei Kindern und Jugendlichen – gibt es das überhaupt? Lange Zeit waren sich Fachleute uneinig, ob junge Menschen überhaupt an einer depressiven Störung leiden können. Heute wissen wir: Ja, sie können – allerdings zeigt sich die Erkrankung oft ganz anders als bei Erwachsenen. Statt Traurigkeit und Antriebslosigkeit stehen bei Kindern Reizbarkeit, Rückzug oder sogar körperliche Beschwerden im Vordergrund. Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie sich das Verständnis von Depression im Kindes- und Jugendalter langsam entwickelt hat – von antiken Beobachtungen bis hin zu modernen Diagnosekriterien. Doch trotz jahrzehntelanger Forschung bleibt die Erkennung einer kindlichen Depression schwierig, denn die Symptome verändern sich mit zunehmendem Alter und können leicht übersehen werden. Warum es so wichtig ist, frühzeitig hinzuschauen, welche Risikofaktoren eine Rolle spielen und welche Therapieansätze helfen können, erfahren Sie in diesem Blogartikel. Denn eines steht fest: Depression im Kindes- und Jugendalter ist real – und behandelbar.
Historische Entwicklung
Die Existenz depressiver Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter wurde über viele Jahrzehnte hinweg angezweifelt. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der im Vergleich zu Erwachsenen deutlich unspezifischeren Symptomatik: Je jünger die betroffenen Kinder sind, desto stärker weichen ihre Symptome von den klassischen depressiven Anzeichen wie Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit ab (Ihle et al., 2012).
Erste Hinweise auf depressive Zustände bei jungen Menschen finden sich bereits in der Antike. So schrieb der griechische Arzt Rufus von Ephesus im 2. Jahrhundert v. Chr., dass melancholische Zustände bei Jugendlichen zwar existierten, bei Kindern jedoch selten seien. Auch Robert Burton erwähnte 1621 in seinem Werk über Melancholie „disheartened and cowed children, that they never take pleasure in any thing“ (Ihle et al., 2012). Zu Deutsch: „entmutigte und eingeschüchterte Kinder, dass sie nie Freude an irgendetwas haben.“.
Im 19. Jahrhundert wurde das Depressionskonzept zunächst fast ausschließlich für Erwachsene entwickelt. Psychische Störungen im Kindesalter fanden dabei kaum Beachtung. Einen ersten systematischen Bezug zwischen Depression und Kindesalter stellte Emminghaus (1887) in seinem Lehrbuch über psychische Störungen bei Kindern her, immerhin war ein ganzer Abschnitt der kindlichen Depression gewidmet (Ihle et al., 2012).
In der Fachliteratur trat das Thema Depression im Kindesalter erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erneut in den Vordergrund. Besonders bedeutsam war in diesem Zusammenhang die Arbeit von René Spitz (1946), der den Einfluss früher Beziehungserfahrungen, insbesondere Trennungen und mangelnde mütterliche Fürsorge, auf die psychische Entwicklung von Kleinkindern untersuchte (Ihle et al., 2012). Hier muss allerdings angemerkt werden, dass die heutige wissenschaftliche Meinung sich nicht nur auf Mangel in der mütterlichen Fürsorge stützt.
Ab den 1960er-Jahren wurde die Diagnose „Depression“ zunehmend für alle Altersgruppen anerkannt. In den 1980er-Jahren kam es zu einer Differenzierung in endogene und reaktive Depressionen im Kindesalter. Mit Endogen wird auf die genetische Disposition, also Veranlagung Bezug genommen und reaktiv, bezieht sich auf die depressive Entstehung aufgrund der Umwelteinflüsse. Hiermit sollte auf die Unterschiedlichen Entstehungsmuster einer Depression eingegangen werden. Heute besteht kein Zweifel mehr daran, dass auch Kinder und Jugendliche an einer depressiven Störung erkranken können. Dennoch mangelt es den gängigen Klassifikationssystemen (z. B. ICD-11, DSM-5) weiterhin an alters- und entwicklungsspezifischen Diagnosekriterien (Ihle et al., 2012).
Begriffserläuterung
Depression im Kindes- und Jugendalter ist eine affektive Störung, die sich durch eine anhaltend gedrückte Stimmung, Interessenverlust, verminderte Energie sowie kognitive und körperliche Beeinträchtigungen äußern kann. Im Vergleich zu Erwachsenen zeigen Kinder und Jugendliche häufig altersunspezifische oder „atypische“ Symptome – wie Reizbarkeit, Aggressivität, Rückzugsverhalten, schulische Leistungsabfälle oder somatische Beschwerden wie Bauch- oder Kopfschmerzen (Ihle et al., 2012).
Das Stellen der Diagnose einer kindlichen Depression wird erschwert, da sich depressive Symptome mit dem Entwicklungsstand verändern und von anderen psychischen Störungen abgegrenzt werden müssen. Trotz dieser Unterschiede handelt es sich bei einer Depression im Kindes- oder Jugendalter um eine ernstzunehmende psychische Erkrankung mit hohem Leidensdruck und potenziell chronischem Verlauf, wenn sie unbehandelt bleibt (Ihle et al., 2012; WHO, 2021). Wichtig: Ähnlich wie Angst ist Depression ein allgemeiner Bestandteil der menschlichen Entwicklung und bedeutet nicht, dass Ihrem Kind nicht durch diese Phase hindurch geholfen werden kann.
Häufigkeit, Verlauf und Prognose depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter
Die Prävalenzraten für eine Major Depression liegen im Kindesalter bei unter 3 %, steigen jedoch im Jugendalter auf bis zu 8 % an (Costello, Erkanli & Angold, 2006). Vor der Pubertät sind Jungen und Mädchen etwa gleich häufig betroffen, ab dem 15. Lebensjahr zeigen sich jedoch deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede: Mädchen erkranken dann etwa doppelt so häufig wie Jungen (Naicker et al., 2013). Der stärkste Anstieg depressiver Episoden ist zwischen dem 13. und 16. Lebensjahr zu beobachten, wobei im Jugendalter auch suizidale Gedanken vermehrt auftreten.
Rein depressive Störungsbilder sind bei Kindern und Jugendlichen jedoch relativ selten. In etwa 40 % der Fälle treten komorbide Störungen auf, rund 18 % der betroffenen Minderjährigen weisen sogar zwei oder mehr zusätzliche psychische Erkrankungen auf (Essau & Petermann, 2000). Zu den häufigsten Komorbiditäten zählen Angststörungen, einschließlich Zwangsstörungen, die möglicherweise eine gemeinsame biologische Grundlage mit Depressionen haben. Weitere häufig begleitende Störungen sind Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS; in etwa 30 % der Fälle mit depressiven Symptomen), Substanzmissbrauch, Störungen des Sozialverhaltens, Persönlichkeitsstörungen sowie somatoforme Störungen (Essau & Petermann, 2000). Zusätzlich können depressive Symptome auch im Zusammenhang mit Teilleistungsstörungen oder Entwicklungsstörungen wie dem Asperger-Syndrom auftreten.
Der Verlauf depressiver Episoden im Kindes- und Jugendalter unterscheidet sich hinsichtlich Dauer und Prognose von dem bei Erwachsenen. Während depressive Episoden bei Erwachsenen im Schnitt etwa 24 Wochen andauern, sind es bei Jugendlichen durchschnittlich rund 30 Wochen (Essau & Petermann, 1997). Ein früher Erkrankungsbeginn ist oft mit einer ausgeprägteren biologischen Vulnerabilität, geringeren Copingstrategien und einem erhöhten Risiko für Rückfälle im weiteren Lebensverlauf verbunden (Essau & Petermann, 2000). Langzeituntersuchungen zeigen zudem, dass eine depressive Episode im Jugendalter das Risiko, auch im Erwachsenenalter erneut zu erkranken, um das Zwei- bis Dreifache erhöht (Pine et al., 1998). Eine frühzeitige Intervention ist somit äußerst förderlich, um eine frühzeitige Stärkung aufzubauen und um einem Rückfall entgegenzuwirken.
Anfälligkeiten und Symptomverläufe im Entwicklungsverlauf
Wie eingangs erwähnt, zeigen depressive Störungen bei Kindern und Jugendlichen ein alters- und entwicklungsspezifisch variables Erscheinungsbild, das sich stark von der Symptomatik im Erwachsenenalter unterscheidet. Besonders im frühen Kindesalter treten Depressionen selten isoliert auf und äußern sich häufig in unspezifischen Verhaltensweisen, die zunächst nicht eindeutig einer depressiven Störung zugeordnet werden können (Ihle et al., 2012).
Bereits im Säuglingsalter kann sich eine gestörte affektive Entwicklung zeigen, insbesondere unter Bedingungen psychosozialer Deprivation und mangelnder Zuwendung. Nach einer Phase intensiven Weinens kann es bei anhaltender Reizentkoppelung zu sozialem Rückzug, Apathie sowie somatischen Symptomen wie Schlafstörungen kommen. Ob diese Phänomene als depressive Äquivalente zu interpretieren sind, bleibt jedoch unklar (Ihle et al., 2012).
Im Kleinkindalter treten Symptome wie Trennungsängste, Gehemmtheit, Antriebsminderung, aber auch vermehrte Agitiertheit auf. Diese Auffälligkeiten könnten auf eine beginnende depressive Entwicklung hinweisen, sind jedoch in ihrer diagnostischen Eindeutigkeit begrenzt (Essau & Petermann, 1997).
Eine weitere Differenzierung der Symptomatik findet im Alter zwischen drei bis sechs Jahren statt. Typisch sind nun affektive und verhaltensbezogene Auffälligkeiten wie anhaltende Traurigkeit, Weinen bei elterlicher Zurückweisung, Spielunlust, Rückgang der Fantasie, sozialer Rückzug, sowie vegetative Symptome wie Appetit- und Schlafstörungen, Müdigkeit und Lustlosigkeit. Hinzu kommen häufig introvertiertes Verhalten, Reizbarkeit und aggressives Verhalten, die als Ausdruck einer gestörten Emotionsregulation interpretiert werden (Ihle et al., 2012).
Im Schulalter tritt erstmals die Fähigkeit zur verbalen Selbstreflexion in den Vordergrund, wodurch Kinder beginnen, ihre Traurigkeit bewusst wahrzunehmen und mitzuteilen. In Einzelfällen werden bereits erste suizidale Gedanken berichtet (Essau & Petermann, 1997). In der weiteren Altersspanne, zwischen zwölf und sechzehn Jahren, entwickelt sich zunehmend ein niedriges Selbstwertgefühl, das als zentraler Risikofaktor für chronische depressive Verläufe gilt.
In der Adoleszenz ähnelt die depressive Symptomatik zunehmend derjenigen im Erwachsenenalter. Jugendliche zeigen häufiger Appetit- und Schlafstörungen, negative Zukunftsaussichten, Suizidgedanken, stärkere funktionelle Beeinträchtigungen im schulischen und sozialen Bereich sowie verminderte kognitive und körperliche Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig nehmen somatische Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen sowie Angstsymptome im Vergleich zur Kindheit eher ab (Essau & Petermann, 2000; Ihle et al., 2012).
Obwohl depressive Symptome also bereits im frühen Kindesalter auftreten können, ist die Diagnose einer mittelgradigen bis schweren depressiven Störung vor dem 7. Lebensjahr ausgesprochen selten und nur mit großer diagnostischer Vorsicht zu stellen (Ihle et al., 2012).
Risikofaktoren und psychosoziale Belastungen
Eine depressive Störung im Kindes- und Jugendalter entsteht meist aus einem komplexen Zusammenspiel biologischer, familiärer, sozialer und psychosozialer Einflussfaktoren. Eine besonders hohe Relevanz besitzen multiple Risikofaktoren, die häufig bereits in der frühen Entwicklung wirksam werden.
Biologische Risikofaktoren umfassen unter anderem eine genetische Prädisposition, Verhaltenshemmung, eine ausgeprägte negative Affektivität sowie eine gering ausgeprägte positive Affektivität, welche die emotionale Grundstimmung negativ beeinflussen kann (Belhadj Kouider & Petermann, 2015; Epkins & Heckler, 2011).
Auch familiäre Bedingungen tragen wesentlich zur Entstehung depressiver Symptomatik bei. Kinder und Jugendliche mit depressiven oder psychisch belasteten Eltern (z. B. mit Angststörungen) haben ein erhöhtes Risiko, selbst eine depressive Störung zu entwickeln. Unsichere Bindungen, elterliche Zurückweisung, geringe Zuwendung, überbehütende Erziehung sowie familiäre Konflikte oder Beziehungsprobleme der Eltern wirken sich zusätzlich ungünstig aus (Epkins & Heckler, 2011).
Im sozialen Kontext zählen soziale Isolation, Ausschluss aus der Peer-Group, Mobbingerfahrungen, geringe soziale Akzeptanz und fehlende oder negativ geprägte Freundschaftserfahrungen zu bedeutenden Risikofaktoren. Besonders im Jugendalter, einer Phase, in der soziale Integration eine zentrale Entwicklungsaufgabe darstellt, stellen soziale Interaktionsprobleme eine gravierende Belastung dar (Belhadj Kouider & Petermann, 2015).
Zusätzlich spielen psychosoziale Belastungen eine entscheidende Rolle. Studien zeigen, dass bei etwa 70 % der depressiv erkrankten Kinder und Jugendlichen belastende Lebensereignisse vorliegen (Goodyer, 1995; Essau & Petermann, 1999). Dazu zählen unter anderem der Verlust eines Elternteils, elterliche Scheidung, psychische oder körperliche Erkrankungen eines Elternteils, sowie Misshandlungserfahrungen. Auch chronische Belastungen wie Migration, Arbeitslosigkeit, Armut, Schulstress und Probleme im sozialen Umfeld wirken sich ungünstig aus.
Ein zentraler theoretischer Bezugsrahmen in der Behandlung depressiver Störungen bei Kindern und Jugendlichen ist die kognitive Theorie der Depression nach Beck et al. (2001). Diese geht davon aus, dass depressive Symptome maßgeblich durch dysfunktionale Denkmuster aufrechterhalten werden. Im Mittelpunkt steht die sogenannte kognitive Triade, das sich durch negative Sichtweisen auf das Selbst, die Umwelt und die Zukunft auszeichnet. Diese Denkmuster entwickeln sich oftmals bereits in der Kindheit und Jugend, insbesondere im Kontext belastender Lebensereignisse oder unsicherer Bindungserfahrungen.
Auf dieser theoretischen Grundlage zielen psychotherapeutische Interventionen darauf ab, kognitive Verzerrungen zu identifizieren und zu modifizieren, wie etwa selektive Wahrnehmung negativer Informationen, katastrophisierende Bewertungen oder übermäßige Selbstabwertung. Durch den Aufbau realistischer, hilfreicher Gedanken und Bewertungen können emotionale Belastungen reduziert und das Selbstwertgefühl gestärkt werden. Besonders im Jugendalter, in dem sich abstraktes Denken zunehmend ausbildet, sind solche kognitiv-behavioralen Strategien besonders wirksam (Beck et al., 2001; Ihle et al., 2012).
Darüber hinaus ist die Qualität der Eltern-Kind-Interaktion von zentraler Bedeutung. Bindungsstörungen und unvorhersehbares elterliches Verhalten können bei betroffenen Kindern zu Resignation und Unsicherheit führen, Kernsymptomen einer Depression. Entscheidend für die weitere Entwicklung ist dabei jedoch nicht nur das Risiko, sondern auch die Verfügbarkeit von Schutzfaktoren. Resilienz kann beispielsweise durch hohe Intelligenz, eine stabile Bezugsperson oder gute soziale Kompetenzen gefördert werden (Essau & Petermann, 1999).
Diagnostik depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter
Die Diagnostik depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter stellt aufgrund der alters- und entwicklungsspezifischen Symptomvariation eine besondere Herausforderung dar. Im Gegensatz zur Erwachsenenpsychiatrie manifestieren sich Depressionen bei Kindern häufig in besagten unspezifischen Symptomen (Ihle et al., 2012; Essau & Petermann, 1999).
Die entwicklungspsychologische Perspektive ist in der Diagnostik essenziell: Während Säuglinge bei mangelnder Zuwendung apathisch und schlafgestört reagieren, zeigen Kleinkinder eher Trennungsängste, Agitiertheit oder gehemmtes Verhalten. Erst ab dem mittleren Kindesalter treten subjektive Berichte von Traurigkeit auf; im Jugendalter gleichen die Symptome dann stärker denen Erwachsener, inklusive Schlaf- und Appetitstörungen, negative Zukunftsperspektiven und Suizidalität (Ihle et al., 2012; Belhadj Kouider & Petermann, 2015).
Die Diagnosestellung erfolgt nach den gängigen Klassifikationssystemen DSM-5 oder ICD-10/11, wobei der diagnostische Prozess auch multimodale Verfahren einschließt, wie standardisierte Interviews, Fragebögen sowie Verhaltensbeobachtungen und Anamnesegespräche mit Eltern und Lehrpersonen. Dabei ist es zentral, sowohl subjektive als auch fremdanamnestische Perspektiven zu erfassen. Diese Verfahren finden auch Einzug während einer TALENT SAFARI mit ihrem Kind.
Ziele der Psychotherapie bei Depression im Kindes- und Jugendalter
Die psychotherapeutische Behandlung depressiver Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfolgt ein multimodales und altersgerechtes Vorgehen. Im Zentrum stehen die Stabilisierung des emotionalen Erlebens, der Aufbau gesunder Bewältigungsmechanismen sowie die Bearbeitung belastender Umstände im familiären und sozialen Kontext (Ihle et al., 2012; Essau & Petermann, 2000).
Ein zentraler Bestandteil zu Beginn jeder Behandlung ist die Psychoedukation: Kinder und Eltern werden über die Diagnose, typische Symptome und das zugrunde liegende Störungsmodell informiert. Besonders der Zusammenhang zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten wird kindgerecht vermittelt, um ein besseres Verständnis für die eigene Problematik zu schaffen (Ihle et al., 2012).
Im weiteren Verlauf zielen psychotherapeutische Interventionen auf:
- Förderung positiver Aktivitäten und Aufbau freudvoller Erfahrungen,
- Strukturierung des Alltags, um Orientierung und Sicherheit zu geben,
- Stärkung vorhandener Ressourcen und Kompetenzen,
- Reduktion belastender Faktoren im familiären, schulischen und sozialen Umfeld,
- Förderung sozialer Kompetenzen und Beziehungsfähigkeit,
- Elternarbeit und Stärkung des sozialen Umfelds.
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren fokussieren zudem auf die Identifikation und Modifikation dysfunktionaler Kognitionen, wie z. B. negative Attributionsmuster, kognitive Verzerrungen oder übermäßiger Selbstzweifel. Ziel ist der Aufbau funktionaler Gedanken, die das Selbstwertgefühl und die Selbstsicherheit nachhaltig verbessern (Essau & Petermann, 2000; Belhadj Kouider & Petermann, 2015).
Da familiäre Bedingungen häufig aufrechterhaltend wirken, sind eltern- und familienzentrierte Interventionen von großer Bedeutung. Eltern werden in die Therapie einbezogen, um Unterstützung im Alltag zu fördern und die Interaktionsmuster zu verbessern (Ihle et al., 2012).
Fazit
In der Psychodiagnostik, welche wir durchführen, können erste Hinweise auf eine evtl. anfängliche depressive Symptomatik zum Vorschein kommen. Deshalb ist es essentiell eine ausführliche psychologische Diagnostik ihres Kindes durchzuführen, um Handlungsweisen und Empfehlungen für die Teilnahme an weiteren Trainings bzw. CAMP-Formaten, ob im Einzel- oder Gruppensetting, zu besprechen. Somit können wir Ihrem Kind die bestmögliche Unterstützung bieten.
Ebenso sind die ausführlichen Gespräche mit Ihnen als Eltern leitend, um Verständnis für die Problemstellungen Ihres Kindes zu erlangen und auch das Familienumfeld hinsichtlich anfallender Problemstellungen aufzufangen. Wie bereits beschrieben ist vor allem die Psychoedukation der ganzen Familie dabei besonders bedeutsam, damit wir von der TALENT SAFARI herausfinden können, welche Hilfestellungen und Unterstützungsmöglichkeiten Ihr Kind und Sie als Familie zu einem langfristigen Wohlbefinden benötigen. Depressive Episoden sind nicht unheilbar, sondern gut zu bewältigen, wenn alle Beteiligten daran arbeiten wollen.
Jonas Schlieter
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Referenzen
Beck, A. T., Rush, A. J., Shaw, B. F. & Emery, G. (2001). Kognitive Therapie der Depression. Weinheim: Beltz.
Belhadj Kouider, E. & Petermann, F. (2015). Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen: Diagnostik und Intervention. Göttingen: Hogrefe.
Costello, E. J., Erkanli, A. & Angold, A. (2006). Prevalence, incidence, and developmental changes in psychiatric disorders from childhood to early adulthood. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 47, 3–20.
Epkins, C. C. & Heckler, D. R. (2011). Integrating etiological models of social anxiety and depression in youth: Evidence for a cumulative interpersonal risk model. Clinical Child and Family Psychology Review, 14, 329–376.
Essau, C. A. & Petermann, F. (1997). Depression im Kindes- und Jugendalter. Göttingen: Hogrefe.
Essau, C. A. & Petermann, F. (1999). Depression bei Kindern und Jugendlichen: Ein integratives Störungsmodell. Weinheim: Beltz.
Essau, C. A. & Petermann, F. (2000). Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen: Prävalenz, Verlauf und Prognose. Weinheim: Beltz.
Goodyer, I. M. (1995). The depressed child and adolescent. Cambridge University Press.
Ihle, W., Groen, G., Walter, D., Esser, G. & Petermann, F. (2012). Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie: Depression. Göttingen: Hogrefe.
Naicker, K., Galambos, N. L., Zeng, Y., Senthilselvan, A. & Colman, I. (2013). Social, demographic, and health outcomes in the 10 years following adolescent depression. Journal of Adolescent Health, 52, 533–538.
Pine, D. S., Cohen, P., Gurley, D., Brook, J. & Ma, Y. (1998). The risk for early-adulthood anxiety and depressive disorders in adolescents with anxiety and depressive disorders. Archives of General Psychiatry, 55, 56–64.
World Health Organization (WHO) (2021). Depression. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/depression
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